Höhenluft und Kräuterwiesen

Gedanken schön kauen

Die Alp Barwengen-Kessel liegt auf 1834 Meter über dem ansteigenden Meeresspiegel, am südlichen Ende des Rinderbergs, inmitten der Simmentaler und Saanenländer Landschaft. Hier mähen jeden Sommer um die 45 Milchkühe den subalpinen Rasen, in meist friedlicher Koexistenz mit TouristInnen aus dem globalen In- und Ausland. Inmitten bunter Kräuter- und Blumenwiesen und vor der berauschenden Bergkulisse lassen sich die Kuhdamen selbst durch die Anwesenheit der Jet-Set-Promis, die im nahe gelegenen Gstaad verkehren, nicht aus ihrer stoischen Ruhe bringen.

Die Alp bietet den Chueli ein wesensgerechtes Leben mit relativ vielen Freiheiten: Pleia und Palomina suchen sich ihre Lieblingsgräser und -kräuter auf der Alpweide selbst aus. Einmal sattgefressen, geben sie sich behaglich der sozialen Körperpflege hin - oder suchen sich ein lauschiges Plätzchen zum Chillen und kauen sich ihre Gedanken schön.

Derweil fischt die Sennerin Cornelia aus Lauenen mit handwerklichem Geschick die Bruchkörner aus dem Kupferkessi über dem Holzfeuer. Ihre Familie bewirtschaftet die Alp seit über 30 Jahren mit viel Herzblut. Entsprechend gross ist das Erfahrungswissen, dass in ihrem Alpkäse steckt. 2018 wurde dieser an den 11. Swiss Cheese Awards als bester Berner Hobelkäse ausgezeichnet. Eine weitere Goldmedaille gewann die Barwengen-Sennerin 2023 an der 24. Berner Alpkäsemeisterschaft der Sortenorganisation Casalp.

Weiden für das Klima

Die Kuh: ein Klimakiller? Der Ruf der Kuh ist klimapolitisch ramponiert, weil sie Methan rülpst. Dabei wird oft verkannt, dass nicht die Kuh das Problem ist, sondern der Mensch bzw. die industrielle Landwirtschaft: die Kuh wurde "zur Sau" gemacht. Auf Hochleistung gezüchtete Kühe brauchen mehr Nährstoffe, als in Gras enthalten sind - sie müssen zusätzlich mit Kraftfutter (Getreide und Soja) gefüttert werden. Viel Kraftfutter ist für die Kuh jedoch ungesund und kann Pansenübersäuerung und Klauenprobleme zur Folge haben. Ausserdem ist es ineffizient, Kühe mit Getreide und Soja zu füttern: ihr Verdauungssystem verwertet das Kraftfutter schlecht. Als Wiederkäuerin ist die Kuh prädestiniert Gras und Heu zu fressen und zu verdauen. Darin ist sie Weltmeisterin.

Obwohl meine Chueli auf der Alp natürlich auch fröhlich Methan rülpsen (das übrigens von Pansenmikroben produziert wird) , ist die Alpwirtschaft insgesamt ein Klimasupporter. Die Beweidung der Alpwiesen trägt zur Humus- und Wurzelbildung bei, wodurch Kohlenstoff dauerhaft im Boden gespeichert wird. Und aus ernährungsphysiologischer Perspektive relevant: Von den für die menschliche Ernährung nicht direkt nutzbaren alpinen Weiden wird via Kuhmägen Milch gewonnen, die die Sennerin in ein nahrhaftes und lange haltbares Lebensmittel umwandelt.

Wer weiss: Vielleicht werden die ganz Schlauen unter den ÄlplerInnen schon bald ein neues Businessmodell mit dem Verkauf von CO2-Kompensationszertifikaten entwickeln: MyCow, als Pendant zu MyClimate.

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